TEXT

“Mein Schatten mit mir heimging”
Welch poetischer Titel!
Er fesselt mich, seit ich ihn das erste Mal gehört habe. 

Er spricht Bände.
Und bleibt doch geheimnisvoll, wie die dahinterstehenden Arbeiten von Katja Lang und Wiebke Steinmetz.
Und hat Sie alle heute hierher gelockt!

Wer aber ist der Schatten? 

Ist er eine künstlerische Metapher? Ein unbewusstes Spiegelbild der Seele?
Ist er das „alter Ego“ und ständiger Begleiter durch den Tag – bis es …„heim-geht“…?
Oder ist er eine, klug gewählte, optisch perspektivische Möglichkeit (gerade für Katja Langs in grafischem Schwarz/Weiß gehaltenen Landschaften) einen Maßstab für die Weite der Räume und Wege durch Felder, Wiesen und Wälder zu setzen – einen allen vertrauten, menschlichen Maßstab? 

Nun – schon der Blick ins Schaufenster und die ersten Eindrücke der Ausstellung setzen eine erstaunlich entschleunigende Wirkung frei.
Lautlose, in lange Gewänder gehüllte Figuren stehen abwartend, beobachtend, bereit.
Stille umfängt uns, wie wir sie gerade in den letzten Tagen wieder einmal auf winterlichen Spaziergängen und Wanderungen genießen konnten. 

Es ist die Welt einer WINTERREISE, in die wir geschickt werden, einsam, suchend, ins Ungewisse. Allein. Und auf uns selbst gestellt.
So, wie die Landschaft im Winter ihre verunklärenden Einzelheiten unter dem Schnee verhüllt und sich erhaben auf die großen Formen ihrer ureigenen Tektonik besinnt, und wie Büsche und Bäume, ihres Laub- und Blütenschmucks entledigt, skelettartig gravitätisch die ihnen gemäße Ruhephase durchstehen, so sucht der Mensch „auf den weißen Matten“ seinen Weg, mit Entfremdung und existentiellen Fragen um Klärung und Selbstfindung zu ringen. 

Aber es sind nicht etwa Illustrationen zu Wilhelm Müllers spätromantischem Liederzyklus „Die Winterreise“, der in Franz Schuberts Vertonung bis heute geradezu volkstümlich populär ist, die Katja Lang hier anbietet – es sind ihre eigenen Empfindungen, die die Texte und die melancholisch eingängigen Melodien in ihr wachrufen, und die sie in Bilder übersetzt. 

„Ich denke in Bildern“, sagte einmal eine Künstlerin zu mir, und ähnlich wird es Katja Lang gehen, wenn sie liest, wenn sie Musik hört, oder sich in Natur- und Stadtlandschaften umsieht, und diese Gedanken dann in ihnen entsprechenden künstlerischen Techniken umsetzt. 

Aber bleiben wir noch einen Augenblick bei der Literatur, zu der übrigens beide Künstlerinnen, auf ganz unterschiedliche Art, große Affinität zeigen.
Denn zu mehr als einem Dutzend bibliophilen Künstlerbüchern bzw. Kassetten (zu Nietzsche, Bachmann, Rosenlöcher und, und, und), hat Katja Lang bereits in Kleinstauflagen Radierungen geschaffen – zwei Mal war die Winterreise dabei: 

Das erste Mal schon 2009, im Jahr des Abschlusses ihres späten Meisterschülerstudiums an der Dresdner HfBK bei Elke Hopfe.
Spät, weil sie vorher, wie ihre Biografie verrät, 1988 -1993 an der Technischen Universität Dresden Architektur studiert hatte, was man ihrem Bedürfnis nach Raumerfassung aus unterschiedlichen Perspektiven und auch bei hohen Horizonten bis heute ansieht.

Die Arbeit bei Elke Hopfe dann förderte sicher ihren subtilen, treffsicheren Umgang mit Schwarz/Weiß- und Grautönen, wie auch ihren entschiedenen Einsatz der Linie, gerade bei den hier gezeigten Kaltnadelarbeiten.

Mehr als 10 Jahre später, 2020, entstand dann ihre 2. Edition zur Winterreise – grafisch strenger linear, wie mir scheint, und wir sehen gerade in dieser Ausstellung, wie sie mit einmal gefundenen, motivischen Bildlösungen weiter und freier arbeitet und variiert.
Etwa mit der Grafik zum 1. Lied der Winterreise, in dem es nach dem einleitenden „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ich wieder aus“, heißt (2.Strophe): 

„Ich kann zu meiner Reisen
Nicht wählen mit der 
Zeit:
Muß selbst den Weg mir weisen
In dieser Dunkelheit.
Es zieht ein Mondenschatten
Als mein Gefährte mit,
Und auf den weißen Matten
Such ich des Wildes Tritt.“ 

Das dafür von Katja Lang gefundene Sinnbild des schier endlos gewundenen Wegs sehen wir in Variationen wieder, in den großen Blättern „Licht im Winter“ und „Wintereinsamkeit“. Und zwar deutlich aufgehellt und uns als Betrachter näher gerückt, dank der geringeren Schwärze, beziehungsweise dem Wegfall der Vordergrundsvegetation. 

Ohnehin beschreibt die Winterreise keine Reise von hier nach dort, sondern führt ins Innere, wobei die Bewegungen der Seele in den anschaulichen, expressiven Landschaftsbildern ihre Entsprechung finden. 

Mithilfe dieser Seelenlandschaften gelang es dem Dichter und gelingt es der Künstlerin, in tiefe Bereiche der Psyche vorzudringen.
Auch dies mag ein Grund sein, für die bis heute anhaltende Wirkung der beschriebenen, vielfältig melancholisch schattierten Stimmungsbilder.
Denn die dahinter liegenden Zustände der „Erstarrung“ und des gefrorenen Herzens, der Mattigkeit und Unruhe, der Unfähigkeit zur Kommunikation, sind nicht zuletzt Folge der Entwicklung sensibler Individualcharaktere, die sich mit solch negativen Gefühlseinbrüchen bereits zu Müllers Zeiten zeigten, und die durchaus noch zum Krankheitsbild der heutigen Gesellschaft gehören – auch, wenn sie öffentlich gern verschwiegen und tabuisiert werden. 

Die auf Stille konzentrierten Arbeiten von Katja Lang – nicht nur (!) zur Winterreise – lassen diese, als sehr privat empfundenen Gefühle, zu.

Und jeder von uns, der schon einmal großen Schrecken oder große Enttäuschung, unglückliche Liebe oder Trauer erfahren hat, könnte wohl eine der einsamen, von ihrem Schatten begleiteten Figuren sein. 

Es bedarf genauer Selbstbeobachtung, sich von den Schatten durchlittenen Kummers zu befreien, es bedarf des Reflektierens und Artikulierens, verbal, musikalisch oder bildlich, um wieder einen offenen Blick für die Realität und objektiverer Selbsterkenntnis zu gewinnen. 

Genau hier liegt, meines Erachtens, die magische Bannkraft von Katja Langs Winterbildern. 

Natürlich trägt auch die einigermaßen kraftaufwendige Kaltnadeltechnik wesentlich dazu bei, in der sie Licht und Schatten, Figur und Raum wohl durchdacht – teilweise bei Freilassung großer heller Flächen – in die Druckplatten kratzt und schabt.
Es kommt ihr dabei nicht nur auf die allgemein begehrte tiefschwarze Samtigkeit an, die sie im Verdichten der Linien und Schraffuren ebenso beherrscht, wie eine stimmungsvolle, atmosphärische Transparenz. 

Es ist interessant, eine solche, relativ sparsam bearbeitete Zinkplatte direkt neben dem entstandenen Druckbild zum Thema „Out“ zu sehen.
U
nd es ist interessant, die etwas ältere Folge funktionaler Großstadtarchitekturen zu sehen, (von 2018): geradlinige Straßenfluchten, Bahngeleise und das Kreuzen räumlich und perspektivisch herausfordernder Straßen Unter- und Überführungen in Rom und Berlin – in auffälliger Austauschbarkeit – weil man sie ähnlich praktisch überall auf der Welt finden könnte. 

Als höchst spannend empfinde ich auch die neueren, kleineren Blätter von 2022 zum Thema „Road trip“, wo die Künstlerin wieder mit intensiven Schwarz/Weiß-Kontrasten vor allem aber aus ungewohnter Perspektive, aus größerer Höhe in Draufsicht wie bei einem Überflug gesehen, arbeitet. 

Dr. Jördis Lademann zur Ausstellungseröffnung am 29.01.2023, Galerie art+form Dresden

 

Katja Langs Bilder strahlen eine ganz eigene Poesie aus. Sie ist eine Meisterin der Reduktion, des Schwarz-Weiß, das in ihren Grafiken und Aquarellen nicht den üblen Beigeschmack der „Schwarz-Weiß-Malerei“, also der Reduzierung der Welt auf eine Dualität, die nur Falsch und Richtig, Gut und Böse und einfache Lösungen kennt, sondern sie schafft in ihren Blättern gerade Raum für Zwischentöne, unterstützt von Kompositionen, die sich nicht am klassischen Goldenen Schnitt orientieren, sondern eher an den Kontrasten, manchmal Dissonanzen neuer Musik, die die gebrochenen Biografien der Menschen in einer entfremdeten Welt erzählen.

Katja Langs Blätter eröffnen Räume – Landschaftsräume und Denkräume. Mit ihrer Reduzierung auf die unzähligen Facetten zwischen Schwarz und Weiß erhebt sie die vielen Grautöne in den Rang von Farben und entgeht so jedem Hang zur Romantisierung, aber sie buhlt auch nicht um Aufmerksamkeit mit grellen Farben und Kontrasten. Es ist, als ob sich ihre Bilder selbst in die Landschaft fügen, die sie zeigen.

Das hängt vielleicht auch mit ihrer Biografie, ihrer Ausbildung zusammen. Geboren in Karl-Marx-Stadt, hat sie zunächst an der TU Dresden Architektur studiert, dann aber ein Meisterschülerstudium der Malerei und Grafik an der Dresdener Hochschule für Bildende Künste bei Elke Hopfe angeschlossen. Elke Hopfe ist ebenfalls eine Meisterin der Zeichnung, der Grautöne, vor allem ihre Porträts sind außergewöhnlich, und es ist faszinierend zu sehen, wie Katja Lang diese Anregung offenbar aufgenommen und zu einem ganz eigenen Stil entwickelt hat.

Architekten schaffen Landschaften – oft um den Preis, andere Landschaften zu zerstören. In Katja Langs Grafiken schwingt nicht nur mitunter die Nähe zur Architektur mit, sondern immer auch das Wissen um die Verantwortung der Architektin der Landschaft gegenüber. Hier ist sie eine Architektin poetischer Landschaften – die sich, zum Beispiel in ihren großen Tafeln für das Carlowitz-Congress-Centre in Chemnitz auch gut in die gebaute Architektur einfügen.

Ihre lichtdurchfluteten Bilder sind eine so leise wie bestimmte Einladung, sich der Stille zu stellen, um – nach Joseph von Eichendorff – das Lied zu hören, das in allen Dingen schläft. Denn all die Landschaften, so einsam sie sein mögen, sagen mit Friedrich Nietzsche : „Dass Gott erbarm‘! / Der meint, ich sehnte mich zurück / In’s deutsche Warm, / In’s dumpfe deutsche Stuben-Glück!“

Ganz nebenbei – oder vielleicht auch gar nicht nebenbei – sind deshalb Katja Langs Arbeiten, oft von Literatur angeregt, auch ein wunderbarerer Vorschlag, Landschaft als Heimat wahrzunehmen, ohne in Heimattümelei zu verfallen. So, wie es der Leipziger Philosoph Christoph Türcke beschrieben hatte: „Entscheidend für einen vernünftigen Umgang mit Heimat ist, dass ihre Überschätzung sich zur Schätzung mäßigt.“ Heimat ist kein Besitz, hat keinen Grundbucheintrag. Und: „Zur Heimat gehört, dass ihre Grenzen nicht ‚festgestellt‘ sind. Nur als ‚nicht festgestellte‘ kann sie lebendige, konkrete Heimat sein.“ Das aber heißt, Heimat will erworben werden, hat auch mit Verlusten und Verletzungen – wie sie in den Bildern Katja Langs zu sehen sind – zu tun, heißt auch: Heimat ist ein „gemeinsamer Erfahrungsraum, der über nationalstaatliche Grenzen hinweg als gemeinsamer Verantwortungsraum wahrgenommen wird“. Heimat sei nicht „heil“, oft aber heilend, ihre „Vertrautheit ist nicht Versöhntheit, aber vielleicht deren schönster Vorschein.“

Wie die Bilder von Katja Lang.

Matthias Zwarg, zur Ausstellungseröffnung am 01. Dezember 2022 im Kunstverein Glauchau

 

Jetzt, am Beginn der dunklen Jahreszeit, stellt uns Katja Lang „Licht im Winter“ in Aussicht. Für die Ausstellung, die wir heute gemeinsam hier eröffnen wollen, hat sie – wenn auch nicht ausschließlich, so doch viele – Wintermotive ausgewählt. Zart, fast durchsichtig zeigen sich die Landschaften, die sich zwei speziellen Techniken verdanken. Einerseits der Radierung, einem Verfahren, dass die Herstellung mehrerer Originaldrucke von einer Radierplatte erlaubt. Andererseits dem Aquarell, das die Künstlerin sehr eigenwillig nicht in differenzierten Farben, sondern ausschließlich aus schwarzen und grauen Lasuren baut. Eine Ausstellung, vorwiegend schwarz-weiß also, und eine Ausstellung, in der das Licht eine dominierende Funktion hat.
Die frühesten Werke dieser Schau stammen aus dem Jahr 2009, als Katja Lang ein Künstler-Buch mit 10 Radierungen zu Wilhelm Müllers Zyklus „Winterreise“ vorlegte. Die Texte, von Franz Schubert kongenial vertont, regten die Künstlerin zu subtilen Landschaftsdarstellungen an. Aber anders als der romantische Liederzyklus verlieren sich ihre Schneelandschaften nicht in äußerster Resignation, sondern die stille Schönheit weißer Flächen korrespondiert mit dem grafischen Lineament von Büschen und Bäumen. Und wo der Wanderer unterwegs ist, sind vor ihm schon andere Menschen gegangen, wie ihre Spuren im Schnee aufzeigen.
Überhaupt spielt die Landschaft als Motiv eine zentrale Rolle im Schaffen von Katja Lang. Die Ausstellung präsentiert nicht nur Winterbilder, sondern Landschaften allgemein, etwa die Radierungen „Uferweg“ oder „Elbwiesen“. Titel wie „Einsiedel“, „Die Elbe“ oder „Erzgebirge“ machen genaue Angaben zu den dargestellten Örtlichkeiten. Die Grafik-Mappe „Heimat“ entstand in diesem Jahr zu dem bekannten Text „Vereinsamt“ von Friedrich Nietzsche, Sie kennen ihn sicher. Ich zitieren den Anfang: „Die Krähen schrei’n / Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: / Bald wird es schnei‘n – / Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!“ Dieses komplizierte und mehrdimensionale Gedicht, das nicht nur als Verlust von Heimat gelesen werden kann, sondern auch als bewusste Abkehr von ihr, hat Katja Lang entsprechend offen und mehrdeutig umgesetzt. Ihre Grafiken sind sowieso keine Illustrationen im engeren Sinne des Wortes, sondern Annäherungen an die Texte und zugleich Neuinterpretationen mit anderen, eben den bildnerischen Mitteln.
Offenbar spielt die Literatur als Impulsgeber im Schaffen Katja Langs eine wichtige Rolle. Denn die Radiermappe „In Apulien“ folgt wieder einem literarischen Text: dem gleichnamigen Gedicht von Ingeborg Bachmann. „Unter den Olivenbäumen schüttet Licht die Samen aus, / Mohn erscheint und flackert wieder, / fängt das Öl und brennt es nieder, /und das Licht geht nie mehr aus.“ lautet die erste Strophe. Auch hier geht es Katja Lang nicht um eine direkte Umsetzung des Gesagten. Vielmehr geben die Radierungen – übrigens wieder ganz aktuelle aus diesem Jahr – ihre eigenen Reise-Erinnerungen an das Land im äußersten Süden Italiens wieder. Und wo sie sich an touristische Höhepunkte wagt, die „Kathedrale am Meer“ in Trani etwa oder das „Castel del Monte“, tut sie es nicht aus der verschlissenen Perspektive farbiger Reiseführer, sondern so, als hätten wir alle das Motiv noch nie gesehen. Ganz offensichtlich ist es das gleißende Licht über der weißen steinigen Landschaft, das sie reizt. Stärker als in anderen ihrer Darstellungen treffen in diesen Blättern Licht und Schatten, hell und dunkel aufeinander.
Die Radierung ist eine bevorzugte Technik im Schaffen Katja Langs. Sie handhabt sie souverän, dabei unaufgeregt und sparsam. Technische Effekte um ihrer selbst willen sind der Künstlerin fremd. Oft ritzt sie ihre Motive mit der kalten Nadel ins Metall, mit Kraft gilt es, den Widerstand des Materials zu überwinden. Ein Grat bildet sich neben der vertieften Linie auf der Platte und liefert später beim Drucken einen tiefschwarzen, samtigen Ton. Sogar den Druck ihrer Grafiken besorgt die Künstlerin meist und in neuerer Zeit ausschließlich selbst, so dass der gesamte Werk-Prozess aus ihrer Hand stammt und handwerkliche Fertigkeit und künstlerische Intention eine vollkommene Synthese eingehen.
Häufig arbeitet die Künstlerin in Folgen und Büchern, wandelt Motive ab oder variiert Stimmungen. Nach den „Texten auf Ansichtskarten“ von Peter Altenberg, verfasst 1911 und vertont 1912 von Alban Berg, schuf sie ein gleichnamiges Leporello. Kein Text, sondern ein Klavierwerk des französischen Komponisten Olivier Messiaen aus der zweiten Hälfte der 1950er Jahre lieferte ihr den Vorwand zur Serie „Katalog der Vögel“. Messiaen hatte in seiner Komposition „Catalogue d’oiseaux“ 13 Klavierstücke jeweils einem Vogel zugeschrieben und den Zyklus seiner zweiten Frau Yvonne Loriod, einer Pianistin, gewidmet. Katja Lang schuf analog zu den Kavierkompositionen 13 farbige Aquatinta-Radierungen, von denen 7 hier vorgestellt werden. Wie in einem naturkundlichen Buch hat sie die gefiederten Sänger wiedergegeben: exakt und von einer charakteristischen Seite. Technisch verdanken sich die Blätter einem Ätzverfahren, durch das nicht nur Linien, sondern auch unterschiedliche Flächen erzeugt werden können. Für jede Farbe im Blatt wurde eine Platte hergestellt, die dann übereinander gedruckt worden sind. Die Vervielfältigung dieser Blätter besorgte der ausgewiesene Grafik-Drucker Matthias Mann.
Bemerkenswert sind die fünf Aquarelle dieser Ausstellung. Anders als die „Vögel“ und anders als unsere Erwartung von einem Aquarell sind sie nicht farbig, sondern diffizil Grau in Grau gestaltet. Das verhilft dem „Abend am See“ oder den „Lichtern der Stadt“ nicht nur zu einer nächtlichen Stimmung, sondern es schärft den Kontrast zwischen hellen Partien und tiefen Dunkelheiten und lädt das jeweilige Motiv spannungsvoll auf.
Katja Lang wurde 1968 in Karl-Marx-Stadt geboren. Sie hat zunächst in Dresden Architektur studiert, ein Fach, das bekanntlich nicht nur eine ingenieurwissenschaftliche, sondern auch eine künstlerisch-gestalterische Ausbildung umfasst. Von 2007–2009 absolvierte sie ein Meisterschülerstudium Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei Elke Hopfe. Seit 2016 lebt und arbeitet die Künstlerin alternierend in Berlin und Chemnitz. In unserer Region ist sie dem Publikum seit vielen Jahren durch zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen, aber auch Einzelausstellungen bekannt. In der Neuen Sächsischen Galerie Chemnitz, der Galerie Borsenanger oder dem Museum für Druckkunst Leipzig sind ihre Werke regelmäßig zu sehen.
Mit ihren stillen, ausgewogenen Bildfindungen hat sich Katja Lang längst einen Namen gemacht. Ihre Darstellungen der sichtbaren Welt sind keine Abbilder des Gegebenen. Auch da, wo wir Motive wiedererkennen, sind sie unalltäglich und verallgemeinert. Sie berühren etwas, was unsere visuelle Wahrnehmung übersteigt, was aber durch Literatur oder Musik auf andere Weise angeschlagen wird. In ihren Arbeiten geht es nicht um Innovation oder Experiment, sondern um die stille Selbstvergewisserung der eigenen Position in einer langen fruchtbaren kulturellen Tradition. Diese Ausstellung ist eine Einladung an uns, in den subtilen Blättern zu Verweilen und ihrem geistigen Bezugsfeld nachzuspüren. Nehmen wir diese Einladung an!
Ich wünsche Ihnen und uns allen intensive Begegnungen mit den Grafiken und Aquarellen von Katja Lang und der Ausstellung eine breite öffentliche Wahrnehmung!

Brigitta Milde zur Ausstellungseröffnung 14.11.2021, Gellert-Museum Hainichen

 

Ausgangspunkt vieler Arbeiten der Berliner Künstlerin sind Natureindrücke, denen sie in aufwändigen und sensiblen Druckgrafiken oder Aquarellen Ausdruck verleiht. Dabei sind immer wieder Parallelverbindungen zu anderen Künsten wie Literatur und Musik zu beobachten. Diese verschiedenen Welten treffen in von ihr gefertigten Künstlerbüchern kongenial aufeinander und regen zum intensiven Schauen und Erleben ein.

Für die 36. Leipziger Grafikbörse hat die Künstlerin mit Erzgebirge eine Kaltnadelradierung ausgewählt. Diese Technik, bei der mit der Radiernadel ohne Einsatz von Säure Vertiefungen in die Zink- oder Kupferplatte eingebracht werden, fasziniert durch ihre Direktheit und Reduktion. Katja Lang verzichtet konsequenterweise auch im Druck auf den effektvollen Einsatz von Farbe, wodurch sie den Betrachter in genau die Stille und Unaufgeregtheit versetzt, welche einer Schneelandschaft eigen ist.

Jannine Koch, Kuratorin der Ausstellung 36. Leipziger Grafikbörse im Kunstverein Duisburg

 

Obschon uns in Langs Oeuvre der Gegenstand, die Landschaft, das Gegenüber deutlich entgegentreten, erhebt die Künstlerin die Leere, ja den Abstand, der sich zwischen Rezipient und Arbeit, ihr selbst und dem Sujet auftut, zum Bildgegenstand. In den hier gezeigten grünblauen Radierungen, aber auch in anderen Arbeiten ihres Portfolios, etabliert sie die schwer fassbare Dimension der Atmosphäre, des Vakuums zwischen den Gegenständen, die zuweilen wie im Nebelschleier als Plattenton oder bewusst ungestaltete Fläche des Papiergrundes in der Radierung aufscheint. Atmosphäre wird zum autonomen Sujet und führt zur Offenlegung unserer eigenen Wahrnehmung.

Katharina Arlt in der Laudatio zu Von Angesicht zu Angesicht in der Galerie drei der Dresdner Sezession e.V. im Dezember 2020

 

Die Verbindung der Sprache nicht nur zum Bild, sondern auch zur Musik scheint keine geringe Faszination auf diese Künstlerin auszuüben. Zugleich machen die Blätter ihre künstlerisch wie handwerklich ausgeprägte Begabung deutlich. Die Radierung – auch eine von Thomas Ranft bevorzugte Drucktechnik – erfordert nicht nur hohes zeichnerisches Vermögen, sondern vom Beschichten über das Ätzen bis ggf. zum Andrucken auch Handfertigkeit und Geschick. Über beides verfügt Katja Lang in hohem Maße. Im Zulassen von zufällig sich ergebenden Werkspuren und bewussten, kontrollierten Eingriffen, in der Spannung von technisch Möglichem und gezielt Erreichtem zeigen die Altenberg-Blätter eine große künstlerische Bandbreite.  

Mit Thomas Ranft und Katja Lang präsentiert die Galerie Borssenanger zwei Künstler unterschiedlicher Generation. Beide kultivieren die subtile Form, beide arbeiten mit behutsamen Gesten im kleinen Format. Auf jeweils eigene Weise schaffen sie Bildwelten, die vielfältige Verbindungen in die Kunst- und Kulturgeschichte aufweisen, die in Vergangenes verknüpft – und für experimentell zu Eroberndes offen sind. Verwechseln kann man ihre Handschriften nicht, vergleichen ihre Herangehensweisen sehr wohl. Dazu bietet uns diese Ausstellung beste Gelegenheit.

Brigitta Milde zur Ausstellungseröffnung am 3.2.2017 in der Galerie Borssenanger, Katja Lang + Thomas Ranft | Weltall – Erde – Mensch | Zeichnung und Grafik

 

Ganz im Gegenteil, die Literatur ist in diesen Blättern Anlass, sich von der Sprache abzulösen und in ein anderes Fluidum hinüberzuwechseln. Ich sage bewusst Fluidum, denn das Fließende ist hier immer der bevorzugte Aggregatzustand; Sprache fließt in diesen Arbeiten, sie steht nicht fest auf dem Papier, Gedanken fließen, Gefühle ergießen sich … Die schmalen Formate, die – vertikal oder (meist) horizontal – für die Druckgrafik gewählt worden sind, unterstreichen diesen Eindruck. Der Übergang von einem Element in das nächste ist ein immer wiederkehrendes Motiv in den Arbeiten von Katja Lang.

…Ausstülpung, Ausschüttung, Ausgießung, Streuung … Wucherung und Verschwendung sind Begriffe, die mir zum Bild der Natur bei Katja Lang einfallen. Dazu kommt meist eine rhythmische, wellenförmige Bewegtheit, und oft gibt es eine Wasseroberfläche. Natur ist hier weniger, wie der Gemeinplatz lautet, Harmonie, als vielmehr Gelassenheit, aber auch die pure Verschwendung von allem, der Überfluss. Dem korrespondiert eine ähnliche Haltung im Duktus der Künstlerin.

Hans Brinkmann zur Ausstellungseröffnung: Katja Lang, Neue Arbeiten, Gesundheitszentrum Rosenhof am 25.2.2010